Ein lehrreicher Ausbildungstag

Pünktlich um 07:30 Uhr trafen wir uns in Saas-Grund bei der Talstation. Nach dem Umsteigen auf dem Kreuzboden ging es weiter nach Hohsaas. Für die meisten Corona-bedingt die erste Gondelfahrt seit langem,  genossen wir den mühelosen Aufstieg  mit dem Panorama auf die frisch eingeschneiten 4000er.  Die Landschaft auf über 3000m präsentierte sich aufgrund der Schneefälle der letzten Tage ziemlich winterlich und es war entsprechend frisch. Oben angekommen, wurden Mützen und Handschuhe angezogen. Danach ging es auf einer mehr oder weniger gut tragenden Schneedecke Richtung Lagginhorn.

Nach einem kurzen Marsch fanden wir einen sonnigen und windgeschützten Platz, wo uns Danny die Theorie zum Gehen am kurzen Seil vermittelte. Das Gehen am kurzen Seil ist eine Sicherungstechnik, die sehr komplex ist und viel praktische Übung und Erfahrung erfordert. Diese Technik wird vor allem angewendet, wenn das Sichern der Seilschaft über Fixpunkte und aufgrund der geringeren Schwierigkeiten und der Komplexität des Geländes nicht sinnvoll ist. Die Sicherungsart beim Gehen am kurzen Seil hängt von verschieden Faktoren ab:

  • Steilheit und Exponiertheit des Geländes
  • Schwierigkeit und Sicherungsmöglichkeiten
  • Verhältnisse
  • Technische Fähigkeiten
  • Tagesform, Ermüdung, etc.
  • Befinden wir uns im Auf-/Abstieg
  • Gewichtsunterschiede, Kraft

Nach den Instruktionen durch Danny bildeten wir Zweierseilschaften und begaben uns Richtung Lagginsüdgrat. Bei der Traverse unter dem Lagginhorngletscher mussten einige Lawinenkegel überquert werden. Unter Anleitung von Danny stiegen wir in gemächlichem Bergführerschritt hoch bis zum Einstieg am Grat. Auf dem Grat wurde das gelernte gekonnt angewandt. Auf ca. 3350m waren wir an unserem Wendepunkt angekommen, wo wir eine verdiente Pause einlegten. Anschliessend ging es nach einer Instruktion zu Seilhandling und Taktik beim Abstieg zurück Richtung Hohsaas.

Der Schnee hatte sich mittlerweile aufgeweicht und machte das Vorwärtskommen anstrengend. Mit abwechselnder Spurarbeit gelangten wir zurück zum Bergrestaurant, wo wir eine Einkehr nicht entbehren konnten. Gestärkt ging es mit der Gondel hinunter nach Kreuzboden. Hier wurden von Danny nochmals die wichtigsten Punkte wiederholt, sowie Fragen beantwortet und auf Unklarheiten eingegangen. Um 16:30 Uhr fuhren wir mit der Bahn zurück nach Saas-Grund. Kaum unten angekommen, setzte der für den Nachmittag gemeldete Regen doch noch ein. Glück gehabt.. Wir verabschiedeten uns von einander und gingen mit schönen Erinnerungen an einen sehr lehrreichen Ausbildungstag nach Hause.

Danke Danny für deinen super Einsatz!

Das Gehen am kurzen Seil wird in 4 Stufen aufgeteilt:

Stufe 1: Gemeinsames Gehen – das Gelände ist einfach und gestuft, ein leichter Felsgrat, auf dem wir uns gleichzeitig fortbewegen können. Die Hände brauchen wir höchstens zum Stützen oder kurz einen Griff zu halten. Es besteht eher eine Ausrutsch- als Sturzgefahr. Wir bewegen uns mit einem offenen Seil von ca. 6-8m, mit 3-4 Schlingen in der Hand. Wir halten das Seil in beiden Händen: eine Hand mit Seilreserve, die andere Hand führt das Seil und legt es situativ rechts oder links hinter Zacken. Wir variieren den Seilzug je nach Situation.

Stufe 2: kurze schwierigere Stellen – das Gelände weist steilere Aufschwünge oder plattige Passagen auf. Wir brauchen zeitweise beide Hände zur Fortbewegung. Einen Sturz könnte man beim gemeinsamen Gehen nicht mehr halten. In diesem Gelände bewegen wir uns von Insel zu Insel und klettern kurze Stufen von 2-4m ungesichert. Das Seil führen wir in der Hand mit. Wir brauchen keine Selbstsicherung. Die offenen Seillänge beträgt 6-8m. Je nach Situation sichern wir mit einer Schultersicherung oder an einem Felszacken. Es ist aber sehr wichtig zu wissen, dass die Belastung auf längerer Distanz viel grösser ist und man demzufolge eine bessere Sicherung braucht. Als Grundsatz gilt: braucht man beide Hände zum Klettern, ist das Limit des gemeinsamen Gehens erreicht.

Stufe 3: Mikroseillängen – das Gelände kann steil und exponiert sein, muss aber nicht unbedingt schwierig sein. Ein Sturz würde zum Absturz der Seilschaft führen. Das Seil ist kurz bis mittellang (15-20m). Der Vorsteigende klettert meistens ungesichert, die Seilzweite ist an einem guten Felszacken, einer Schlinge oder an einem Haken selbstgesichert. Zwischensicherungen dienen vor allem dem Seilverlauf. Das lose Seil lassen wir auf dem Stand liegen und ziehen es nach dem Klettern ein. Den Seilzweiten sichern wir ebenfalls wieder an einem guten Felszacken, einer Schlinge, einem Haken oder einem Friend usw. mit HMS.

Stufe 4: Seillängen – wir sichern von Standplatz zu Standplatz. Das Gelände ist exponiert und schwierig. Es besteht die Gefahr, dass der Vorsteiger stürzt. Wir hängen Zwischensicherungen ein. Es müssen solide Standplätze mit Schlingen, Friends, Keilen, Haken gebaut werden. Wir sichern in den meisten Fällen mittels Körpersicherung. Das Seil ist eher lang, meist 30-50m.

Bergführer Danny Stoffel
Bericht Martin
Fotos MarioL, Martin
Teilnehmer Désirée, MartinA, MartinV, Roger, Daniel, AngelaF, Reto, Andreas, MarioL, Tanja, Luca, Alessandro, Dalia, René
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