Der vergessene Beat
Die vorgesehene Skisafari Oberalp konnte infolge unsicherer Wetterlage im Bündnerland nicht durchgeführt werden; aber für die Angemeldeten fand Tourenleiter André eine Ausweichvariante, welche die Daheimgebliebenen leider verpassten, denn es ging aufs 3247.6 m hohe Wildhorn, die höchste Erhebung zwischen Sanetsch- und Gemmipass. Diese Erhebung gehört zu den meistbesuchten Gipfeln der westlichen Berner Alpen. Das Wildhorn ist ein grossartiger Aussichtsberg und wie oft haben wir schon davon gesprochen, wenn wir das Wildhorn von der Ferne sahen.
Am Samstag morgen machten sich Diana, Andre und Reinhard also auf den Weg, um am Sonntag von der Wildstrubelhütte aus, das Wildhorn 3247 zu besteigen. Bevor es zur Strubelhütte ging, war noch Varianten- und Pistenskifahren in Montana angesagt, und so lernte auch André noch das Skigebiet mit seinen kulinarischen Möglichkeiten kennen. Plötzlich klingelt das Natel und Beat beschwert sich, dass wir ihn vergessen hätten. Muss wohl ein kleines Komunikationsproblem zwischen Andre und Beat gewesen sein. Doch halb so schlimm, wir waren ja noch im Skigebiet von Montana unterwegs. Als dann Beat auch eingetroffen war, nahmen wir den kurzen Aufstieg über den Weisshornsattel zur Wildstrubelhütte 2793 in Angriff. Dort wurden wir von Labradorhund Flynn lautstark und dem Hüttenwartehepaar Jannette und Ueli Gertsch herzlich empfangen
Bevor uns das wohl beste Nachtessen, das wir je in einer Hütte aufgedeckt bekamen, serviert wurde, blieb uns Zeit zu einem gemütlichen Apero und den Tourenleitern und Bergführer das Kartenstudium für die morgige Tour. Köstlich zum Essen passte die Weinrarität, eine Assemblage aus Waadtländer Rotem und Walliser Pinot Noir, einer äusserst ergiebigen Weinsorte: du trinkst einen Halben und meinst du hättest eineinhalb Liter getrunken. Nach dem Nachtessen gab André den Tarif für die Tagwacht bekannt und so ging’s bald unter die Duvets. Infolge des kalten Nachtlagers blieb wohl das obligate Schnarchen aus, oder lag es daran, dass German nicht dabei war. Um fünf Uhr machten wir uns ans Frühstückbuffet, wieder ein kulinarischer Hochgenuss, der uns dort aufgetischt wurde. Nun ging’s nach Verabschiedung durch das sympathische Hüttenwartpaar los.
Wir erlebten ein Novum bei Skitouren. Im Scheine der Stirnlampen, und hin wieder eines Jauchzers in den Sternenhimmel hallend, schwangen wir durch den stiebenden Pulverschnee den Wysshorngletscher hinunter in die Ebene der Alpage du Rawil. Im Scheine der Taschenlampen und anbrechenden Tageslicht die richtige Routenwahl zu treffen, entpuppte sich auch für die Profis im Kartenlesen als harte Knacknuss und entsprechend gab’s auch hin und wieder ein paar Richtungsänderungen.
All das störte mich nicht , denn ich fühlte mich unter diesen Profis wie in Abrahams Schoss.
Der Aufstieg zum Wildhorn von der Strubelhütte aus entpuppte sich aber als anspruchsvolle Tour. Der obligate Gipfelwein fiel diesmal der Kälte zum Opfer. Nach einem Gipfelfoto machten wir uns zur Abfahrt bereit. Vom Wildhorn Richtung Wallis gibt’s verschiedene Möglichkeiten. Dem Kartenstudium vom Vorabend war zu entnehmen, dass wir je nach Zeit und Verhältnissen uns dann auf dem Gipfel entscheiden würden, ob wir die Route nach Anzère oder jene durchs Tal der Sionne wählen.
Bei der Routenwahl fielen André und Beat dann wohl der Gebirgsfliegerei aufs Wildhorn zum Opfer, denn just kurz vor unserer Abfahrt, landeten ein paar Helis und deren Insassen nahmen auch den Weg ins Wallis unter die Skier. Dass diese vorgelegten Spuren nicht nach Anzère und auch nicht durchs Tal der Sionne führten, löste einiges Erstaunen aus, denn nicht nur ich vermisste unterwegs, dass jetzt dann doch bald das Skigebiet von Anzère ins Blickfeld kommen müsste; denn für mich war klar, dass sich André und Beat für diese Route entschieden hatten. Aber was soll’s; wie es schon vorgekommen sein soll, dass der Bergführer auf dem falschen Gipfel war , ist wohl auch erlaubt, dass ein Tourenleiter nicht im vorgesehen Zielgebiet landet; trotzdem war’s eine unvergessliche Abfahrt und so haben wir die Möglichkeit, die geplante Abfahrt im nächsten Jahr nachzuholen. Für Gesprächsstoff war gesorgt. Übrigens, für die Geografiekenner diese Anmerkung: wir fuhren über den Glacier du Brochet hinunter zum Eingang des romantischen Netage-Tales, wo der Gipfelwein doch noch entkortkt werden konnte.
Und wir hatten Glück, dass ein Schneeschuhwanderer aus Saviese unterwegs war und André mitnahm, um sein Auto in Siders zu holen. Diana, Beat und ich machten uns zu Fuss auf den Rückweg und fanden schon bald eine urchige Beiz, wo wir die echte welsche Gastfreundschaft erfahren durften. Da es auf der Terrasse keinen Platz mehr hatte, stellten wir die Stühle einfach auf die Strasse, um Sonne und Fendant zu geniessen.
Nach Andrés Ankunft ging’s Richtung Leuk, wo uns Beat noch mit einer feinen Spaghetti-Mahlzeit verwöhnte. Eine schöne, unvergessliche Tour in allen Belangen ging damit zu Ende.
Eigentlich schade, dass bei unseren Touren nicht mehr mitmachen.
Wenn die wüssten, was sie alles verpassen!
ra.