Supercooles Wochenende zum Geniessen!
Es ist Donnerstagmorgen
Nee. Gefühlt ist es noch Nacht. Obwohl, hell ist es schon.
Ich steh in Eyholz an der Kantonstrasse und würd mich gern noch ein wenig auf den Randstein setzen, da hält ein schwarzer SUV direkt auf mich zu und dann doch neben mir an. Heraus springt Patrick. Ein bekanntes Gesicht. Also sollte ich da wohl einsteigen. Hinten ist dank Vedrana und Francine noch ausreichend Platz. Vorn lenkt Alex und erreicht kurze Zeit später trotz Schlange die Pole Position an der Autoverladung. Hier hält er wieder an. Sein 2ter Stop. Es wird sein vorletzter für den heutigen Tag werden, denn die Pole gibt er nicht mehr ab, bis er finalemente auf dem Parkplatz von Colletta Castelbianco steht.
Zwecks Gemütlichkeit wechseln Vedrana und ich das Fahrzeug und von nun an wird uns Angela sicher und zügig Richtung Italien chauffieren. Es ist sogar ein Toilettenstop drin und als wir die Türen öffnen, entweicht klimaanlagengekühlte Luft fröhlich ins gefühlt tropische Italien. Dann wohl mal besser den Pulli aus und den Urlaubsmodus rein. Irgendwann ist da Meer links von uns und dann stehen wir schon auf dem Parkplatz unserer Unterkunft, was man daran erkennt, dass bekannte klettersachenbeladene Menschen sich auf den Weg zum Fels machen, bzw. dank Vorstiegssturz einen Tag vorher, zum Café humpeln. Simone ist also schon mal raus. Schöne Scheiße. Auch Alex gönnt seiner Schulter noch einen Tag Pause. Und wir steigen aus, nehmen unsere Klettersachen und gehen…klettern.
Umweltfreundlich, keine 7,5 Minuten zu Fuß von der lauschigen Unterkunft entfernt, liegt der Sektor Telematica. Hard Disk, Linux, File, Mouse, Eudora, jpg, mp3 heissen hier die Routen. Der Büroalltag hat uns wieder. Die Hakenabstände sind so französisch, dass Matthias tatsächlich alle Exxen von Thomas klinken müsste, wenn die Kletterei nicht schon nach 15-20m, sondern ca. 50m höher aufhören würde. Zwischendrin gibt es noch eine kleine Showeinlage von einem kleinen Franzosen, der zwar gern rauf, aber partout nicht wieder runter will oder kann oder beides. Individuell beendet man mit müden Armen den ersten Klettertag, denn es ruft das lauschige Café, die gemütliche Terrasse oder der erfrischende Pool. Oder alles hintereinander. Reihenfolge egal.
Ach, und dann kommen auch noch Susanne und Karsten an. Sie hatten definitiv die gemütlichste Anreise. Mit 80 Sachen, dank PKW Schaden. Reisen wie im Lastkraftwagen. Grund zur Panik (Verhungern in Italien) hatten die beiden aber nicht, denn netterweise haben sie ihren Kofferraum voller Lebensmittel und Wasser beladen. So viel Wasser, dass Jan, der Tourenleiter, abends eine strenge Ansage macht. Jeden Tag muss jeder und jede 1,5l Wasser trinken. Hat fast funktioniert. Für das Wasser. Fürs Bier nicht. Davon bleibt mehr über. Sportler…. .
Das Bier und die Menschen verteilen sich nun auf die sehr gemütlichen Appertements. Welch grandiose Wahl der Unterkunft.
Abends dann der letzte Pit Stop des Tages im gleichnamigen Restaurant. Hier kocht die Mama. Dazu ein Rotwein frizzante. Lang vergessene Erinnerungen kommen hoch. Wann gab es den zum letzten Mal? Es muss in dem Jahrtausend gewesen sein, als die Pizzerien Lambrusco noch kostenlos im gönnerhaften 1l Gebinde bei einem Bestellwert ab 20 DM verramscht haben. Während ich in Erinnerungen schwelge, wird mir aber auch klar, warum ich in den Jahren danach diesem edlen Tropfen erfolgreich aus dem Weg ging. Ansonsten kommt man ins Gespräch und ich lern nicht nur den Präsidenten und seine reizende Frau kennen, sondern noch ganz schön viele andere Namen. Hoffentlich hilft der Frizzante mir dabei, die auch morgen noch auf dem Kasten zu haben.
Nach dem Essen wartet Partice noch mit einer Spezialität des Hauses auf. In irgendeiner grünen Flüssigkeit (Frostschutz?) eingelegte Zuckerwürfel. Schlaue schleichen sich an ihm vorbei. Ich schlag zu. Entdeckergene sind selten eine positive Erbanlage. Es schmeckt wie eine krude Mischung aus NASA Raketentreibstoff und dem Gesöff aus einer der Flaschen mit dem 70er Jahre Etikett, welches man in den frühen 90ern im Partykeller der Eltern der Schulfreunde gefunden hat, und, weil man dachte, man könnte damit irgendjemandem (z.B. Mädchen) imponieren, es pinnchenweise trank, um danach schnell zu vergessen, wie das Getränk und man selber hieß. Interessanterweise kann ich dann trotzdem der anberaumten Gesprächsrunde im Basislager noch folgen und hab mir merken können, dass es am nächsten Tag zum Klettern geht, es Frühstück früh gibt und ich einen Bericht schreiben soll. Hier isser.
Freitag
Den zweiten Tag liessen wir gemeinsam auf unserer Sonnenterrasse beginnen.
Im Appartement Nr 1 wurde der grosse Esstisch zu einem bunt gedeckten Frühstücksbuffet umfunktioniert.
Plan für den heutigen Tag war der Kletterspot „Tortuga 2.0“. Dies ist die Erweiterung eines bereits existierenden Klettergartens. Da viele behaupten in Finale gibt es nur speckige Kletterrouten…. Dies war hier nicht der Fall. Jeder Griff und Tritt hielt…
Wir hielten uns die ganze erste Hälfte des Tages dort auf. Es gab genug Routen für jeden zum Probieren.
In der zweiten Hälfte des Tages teilte sich die Gruppe auf. Die Klettervernarrten tobten sich noch in einem weiteren Klettergarten „Terminal“ aus. Die anderen leisteten Simone am hauseigenen Pool Gesellschaft….. Colletta kann man sich vorstellen wie ein Kreuzfahrtschiff – es gibt einfach Alles auf kleinstem Raum: Bar mit Barkeeper Pablo, tolle Appartements, Pool und die Klettergebiete sind rundherum. Nicht zu vergessen zu erwähnen sind Pablos Aperoplatten und Mojitos. Ich jedenfalls merkte mein Glas auch noch nach der Dusche…
Am Abend gingen wir dann zum Highlight des Tages: Abendessen im Ristorante Scola.
Wir holten unser kleines Schwarzes aus dem Koffer und nach 10 Minuten Fussmarsch betraten wir den Genusstempel. Von Jan und Simone war bereits ein Menu vorbestellt – aber was für eins… Wir konnten an 8 Gängen unsere Geschmacksnerven testen. Dazu kamen noch zwei von Dominik und Astrid offerierte feine Tropfen … fast so alt wie ich waren diese… Ein vollkommen gelungener Tag war das!
Samstag
Auch heute fängt der Tag mit dem gewohnten Familienfrühstück in ganz grosser Runde an. Und auch heute scheint der Verpflegungsberg, den Susann und Karsten für uns eingekauft hatten, nicht wirklich kleiner zu werden.
Eine etwas längere Autofahrt steht heute an. Es geht in Kolonne in Richtung Finale Ligure. Wir wollen endlich auch mal das Meer sehen! Aber vorerst nur kurz…wir biegen in Finale nach links in ein Seitental und fahren zum Dörfchen Boragni. Kurz danach hat’s einen kleinen Parkplatz, da aber schon einige vor uns da sind wird’s etwas enger. Nur unser Landrover fährt natürlich noch n Stück weiter in den Wald. Aber gut, der dient ja auch als Krankentransport und chauffiert Simone und ihre Hängematte möglichst nah an die Wand. Wenigstens haben wir Simone heute dabei und sie und ihr Knie sitzen nicht allein in unserem Feriendomizil.
Achja, geklettert wird auch an diesem Samstag. Keine Ahnung wie das Gebiet heisst. Dort wo ich es im Nachhinein auf der Karte im Natel wiedergefunden habe steht «Palestra di arrampicata su roccia». Ich kann kein Italienisch, aber das heisst wohl erstmal nur «Klettergarten» 😉 Egal, das Gebiet ist gross und es hat auch Routen für jeden Geschmack. Und eine Schlange! Angeblich. Zu sehen bekomme ich sie gottseidank nicht, aber die Route mit dem Loch, von dem unsere Kletternachbarn behaupten sie hätten eine Schlange darin verschwinden sehen, meide ich natürlich auch strikt. Jeder macht das, worauf er Lust hat, die einen klettern mehr, die anderen weniger und wir erleben einen weiteren entspannten aber sportlichen Tag am Fels. Jetzt am dritten Tag geht es auch für die Ungeübten immer besser. Nicht zuletzt dank der Tipps der Kollegen. Danke Jan! Zum Abschluss bekommen die Newbies vom Alex noch einen kostenlosen Auffrischungskurs in alpiner Sicherungs- und Rettungstechnik. Geduldig beantwortet er alle Fragen und am Ende sitzt der Flaschenzug wieder…falls man ihn mal braucht.
Aber heute steht noch weit mehr auf dem Programm: Zurück geht’s nach Finale Ligure. Dort zuerst noch ein wenig den Jan geärgert und den sicher geglaubten Parkplatz geklaut. Für die Einen geht’s dann ins Meer, für die Anderen in die Bar, bevor wir uns später alle in Finale Borgo treffen. Noch schnell die vielen kleinen Kletterläden leer gekauft und dann zum gemütlichen Nachtessen. Geheimtipp von Simone und Jan: «Osteria ai Cuattru Canti». Gemütlich trifft’s ganz gut: Sie sind auf 2 Personen weniger vorbereitet und wir rücken eng zusammen. Aber die Pasta ist ein Traum und der Wein fliesst gut…
So klingt hier der Tag eigentlich für fast alle sehr gemütlich aus. OK, ein paar können nicht genug kriegen und nehmen das «Kirschenfest» in der Nachbarschaft unserer Unterkunft auf dem Heimweg auch noch mit. Erfolgreich! Mit einem Wurfspiel in Kloschüsseln noch ne stattliche Topfpflanze abgeräumt, während die Anderen schon an der Matratze horchen…
Sonntag
Da ich die Ehre habe, den Sonntag unseres Kletterwochenendes zu dokumentieren, beginnt der Bericht eher etwas früh am Tag. Der Grund war nicht der alpine Frühstart um zur Mittagszeit wieder zurück im Basecamp zu sein, sondern Sodom und Gomorra in Finalborgo. Nachdem auch die Landroverfahrer von ihrer Safari im Nachbardorf zurückwaren, wo ein ominöses Kirschenfest stattfand, an dem sogar Pablo der Argentinier (und Chef des Hotels) zugegegen war, ging es früh am Sonntag zuerst mal ins Bett.
Am Morgen nach dem gemeinsamen Frühstück, bei dem nicht alle der 500 kg Brot vertilgt werden konnten brachen wir die Zelte ab. Ziel des Tages war ein Klettergebiet in Toirano, gegenüber den bekannten Höhlen mit demselben Namen. Astrids Rennfahrer-Gen gewann auf der Autobahn wieder die Oberhand; sie konnte es nicht ertragen mit 80kmh hinter Jan’s britischem Elefanten hinterherzufahren. Am Ziel angekommen kämpfte sich Simone mit ihrem Verletzten Knie den verlassenen Steinbruch in der Gluthitze ebenfalls nach oben.
Das Klettergebiet bot Routen im Kalkfelsen für jeden Geschmack. Schon bald trennte sich der Spreu vom Weizen, denn teilweise noch immer belastet durch den «Vino Rosso Di Casa» waren nicht alle Teilnehmer mental auf Meereshöhe (Namen der Redaktion bekannt).
Alex, Vedrana und Patrick stellten ihre Weinresistenz mit diversen vorgestiegenen 6a’s unter Beweis aber auch Francine und Dominic machten von Tag zu Tag Fortschritte die sichtlich zu noch mehr Motivation führten. Oft war zuschauen fast spannender als selber klettern. Unter anderem wurde sogar ein Maillot abgestaubt von einem vorangegangenen Kletterteam welches offensichtlich keine Kletterausbildung im SAC Saas gemacht hatte, ansonsten hätten sie gewusst, dass ein Maillot am Klettergurt laut Jan «mentales Versagen vorprogrammiert».
Überhaupt kamen Sprüche nicht zu kurz. Patricks «beim Klettern führt der Weg meistens nach oben» wurde an Sinnvollkeit nur noch durch Jans «wenns kneift dann reibts nicht» (bezogen auf den Klettergurt) überboten. Überhaupt sollte Jan’s pädagogisches Potential noch viel besser ausgeschöpft werden, denn mit «von hinten rein ist schlecht» vergisst garantiert keiner mehr, wie am Stand umgefädelt werden muss. 😀
Gegen Nachmittag 16:00 hatten dann doch alle genug. Einige machten sich direkt auf die Heimreise, andere kühlten sich erst nochmal im Meer ab. Die Staus beschränkten sich zumindest bei Abfahrtszeit 16:30 Uhr auf den Bereich vor Genua und stockenden Verkehr auf den Simplonpass.
Ein super-gutes Wochenende zum Geniessen! Vielen Dank an Jan und Simone für das Organisieren!