Gletscher Zick-Zack

Es war mal wieder so weit, die fast schon traditionelle Hochtourenwoche im Berneroberland mit Eelco stand an. Ein fast schon internationales Grüppchen könnte man sagen traf sich frühmorgens am Interlaken Ost Bahnhof. Eelco  – Holland, Pavel – Bulgarien, Franziska  (ich)– Deutschland und Martin – Schweiz, wir hatten also mich als Quoten-Frau dabei und Martin als Quoten-Schweizer. Es sollten ein paar sehr fröhliche aber auch sehr schweisstreibende paar Tage werden, die für einmal nicht von der Wetterfrage beherrscht wurden, denn es schien einfach jeden Tag die Sonne, sondern vielmehr von der Suche nach einem Weg durch die Spalten und ob man wohl den Gipfel erreichen könne oder nicht. Wir tuckerten also gut gelaunt aufs Jungfraujoch – zumindest bis zur Fahrkartenkontrolle, da hatte ich Glück, dass ich noch Eine lösen durfte, das ging in der frühmorgendlichen Aufbruchshektik nämlich vergessen bei mir. Eine Regenwolke empfing uns, aber sie verzog sich rasch wieder, so dass wir oben angekommen von Sonnenschein empfangen wurden. Die Barriere im Tunnelausgang in Richtung Mönch konnte uns nicht aufhalten, der Ratrack Fahrer liess uns passieren und so marschierten wir in Richtung Mönchsgrad. Wir hatten nämlich mehr oder weniger spontan im Zug beschlossen, die Überschreitung in Angriff zu nehmen.

Die Kletterei war wunderbar, bis auf eine kleine Überwindung eines «Lochs» die ein wenig die Nerven getestet hat, war doch recht viel loses Gestein zur Auswahl, das keinen nennenswerten Halt bot. Im Nachhinein stellten wir fest, dass wir etwas übermotiviert bereits bei der ersten Stange angefangen haben den Grad zu klettern, und es wesentlich effizienter gewesen wäre, noch etwas weiter auf dem Gletscher zu laufen und dann erst in den Grad einzusteigen. Das Fixseil bot eine wunderbare Gelegenheit mal die Armmuskeln zu testen und festzustellen, dass man mal wieder viel zu viel in den Rucksack gepackt hatte. Die Kletterei zog sich dann doch etwas und wir erreichten etwas später als geplant den Gipfelhang. Am frühen Nachmittag gingen wir vorsichtig dem Gipfel entgegen, jeder Schritt musste hart erarbeiten werden, da wir im weichen Schnee nicht selten bis zu den Knien oder der Hüfte einsanken. Allen voran Eelco er die Spurarbeit übernahm. Die Gradwechte auf der wir uns bewegten blieb zum Glück an Ort und Stelle und Eelco fand einen guten Weg durch die Spalten. Auf dem Gipfel hielten wir uns nicht lange auf, da die Zeit fortgeschritten war, der Schnee weich und der Schneegrad alles andere als verlockend aussah.

Wir mussten auf einer Seite wie an einer Schneemauer uns entlang arbeiten und auf unsere Steigeisen vertrauen, denn es war ziemlich ausgesetzt die ganze Sache. Trittsicherheit war definitiv gefragt und gute Nerven. Dann gings zackig zurück in den Fels und an den Abstieg. Pavel testete die Flugeigenschaften seines Pickels, sie waren zum Glück sehr mässig und wir konnten ihn gut wieder bergen. Eine Abseilstelle zum Schluss überraschte uns und wir brauchten eine Weile die Abseilgeräte ganz zuunterst aus dem Rucksack zu kramen. Schlussendlich kamen alle wohlbehalten unten an und wir beeilten uns zur Hütte zu Kommen. Die eigentliche Abendessenzeit hatten wir knapp verpasst, aber wir hatten Glück und bekamen sogar noch Dessert. Mein erster Einsatz als Seilführerin war absolviert und wir gingen doch recht erschöpft früh zu Bett.

Am nächsten Morgen ging es früh zum Frühstück und auf zur Jungfrau. Doch nicht ganz ohne Hindernisse. Pavel stellte am Steigeisen Platz fest, dass er eben diese in der Hütte gelassen hatte und musste daher einen Restday einlegen. Wir planten um und gingen neu nun als Dreierseilschaft weiter. Leider hat mich im Dunkel die Spur der Gletschertrekker zur Konkordiahütte verleitet und wir landeten inmitten der Spalten, glücklicherweise haben wir mit vereinten Kräften den Weg heraus und in Richtung Jungfrau gefunden. Dies war der erste Gletscherzickzack Abschnitt, mehr sollte folgen…Von dort an lief alles wie am Schnürchen. Der Einstig in den Fels war schnell gefunden, nachdem eine etwas heikle Spalte überwunden war. Der Weg durch den Fels war ebenfalls fix gefunden und so hatten wir keinerlei Hindernisse mehr, bis wir unterhalb des Sattels ankamen. Da verliess uns dann das Glück. Eelco versuchte noch einen Vorstieg und fixierte eine Eisschraube, aber es war schnell klar, dass für Martin und mich die technischen Anforderungen hier weiter zu gehen unsere Möglichkeiten doch überschritten. So nutzen wir die Gelegenheit für eine ausgiebige Pause, genossen die Aussicht und akzeptierten demütig, dass die Jungfrau heute nicht von uns bestiegen werden sollte.

Es ging munter zurück, der Schnee war, trotzdem dass wir durch die frühe Umkehr sehr früh dran waren, schon sehr weich und sulzig. Problemlos fanden wir den Weg zurück durch den Fels, diesmal mit Abseilgerät griffbereit und dann zurück auf der richtigen Spur durch deutlich weniger grosse Spalten. Doch ganz ohne Spalten hüpfen ging es auch hier nicht. Eelco brach sogar noch Knietief auf der Racktrack Spur in eine Spalte ein auf dem vermeintlich sicheren Weg zum Kiosk. Bevor wir zurück zur Hütte marschierten gönnten wir uns ein isotonisches Sportgetränk, während wir uns über allerlei Touristen amüsierten die an der Tyrolienne nach der Abfahrt mit dem Allerwertesten im Schnee bremsten. Der Ausblick über den Gletscher in Richtung Konkordiahütte war zwar prächtig, aber es war auch klar, dass ein früher Aufbruch am nächsten Tag angeraten war, denn der Gletscher war mit Spalten überseht soweit man sehen konnte. Nach einem geselligen Abend mit einer amerikanisch-deutschen Familie und einer Flasche Grappa, die den Abend nicht überlebte, ging es vergleichsweise gemütlich am nächsten Morgen um 7 Uhr zum Frühstück. Der ursprünglich Plan die Gross Fischerhörner zu besteigen und auf der Rückseite zur Finsteraarhornhütte zu gehen, war schon am Vortag begraben worden. Mächtige Seracs, Schneemangel im Aufstieg und vieles mehr machten klar, dass dies nicht die richtige Saison für diese Route war.

Tag 3 brach an, unter viel Gelächter packte Pavel seine Steigeisen ein, so schnell wird er diese sicher nicht mehr vergessen. Wir Schritten frohen Mutes aus in der Reihenfolge: ich vorne als Testobjekt & Späher, dann Martin als Routen Advisor, dann Pavel als GPS-Daten-Prüfer und Eelco als Anker & Geheimwaffe zu hinterst. Schon bald waren wir mitten im Gletscher Zick Zack, eine Kollegin vom SAC folgte uns unauffällig und nutzte uns als Testobjekte für ihre Privatgruppe was die Stabilität der Schneebrücken betraf, Wegfindung und Sprunghilfe. Einige grosse Sprünge und viele kleine waren nötig, um hier durch zu kommen. Insgesamt sind wir bestimmt mehr gehüpft wie gelaufen. Mir schien es manchmal wie in einem Labyrinth aus dem man zwar rauskommt aber nicht immer offensichtlich ist wie und wo genau durch, ab und an mussten wir nach einer machbaren Stelle suchen, da die Spalten einfach zu gross waren. Irgendwann, Pavel hatte schon das Gefühl es würde niemals enden, erreichten wir den aperen Gletscher, hier konnten wir dann ohne Seil etwas entspannter weitermarschieren. Bald kamen wir am Gletscherbach an der doch recht beeindruckend sich gen Tal wälzte. Unsere Rucksäcke warfen wir Eelco zu, zwei verpassten ihn und rollten gen Bach, blieben aber zum Glück noch rechtzeitig liegen. Mit einem grossen Sprung schafften es alle auf die andere Seite. Im Geröll angekommen machten wir erstmal eine wohl verdiente Pause. Diese wurde dann auch zur Schulung bezüglich Flaschenzug-Aufbau und Gletscherspalten Rettung genutzt und einige Gedächtnislücken geschlossen. Angesichts des kritischen Zustands des Gletschers eine durchaus sinnvolle Massnahme. Es sollte aber glücklicherweise bei theoretischen Übungen bleiben. Wie es oft so geht, wenn man zum ersten Mal eine Tour läuft, wähnt man sich dem Ziel näher als es dann eigentlich ist. Der Aufstieg zum Sattel war ebenfalls wieder ein allseits beliebtes Gletscherzickzack, dass sogar eine kleine Frontzacken Traverse erforderte. An das Springen über Spalten hatte sich nun schon jeder gewöhnt und es war sozusagen die Standard-Fortbewegungs-Methode. Bei einer kleinen Pause auf dem Sattel sammelten alle wieder Kraft, die Hitze war unglaublich gefühlte 30 Grad es waren glaube ich 20 Grad auf dem Thermometer – jedenfalls keine normalen Temperaturen auf dem Gletscher. Es ging nun gen Finsteraarhornhütte, die bereits zu sehen war, aber doch noch so fern. Die Normalroute zur Hütte war unpassierbar, es blieb nur der Weg mitten über den Gletscher der Hütte entgegen – also begaben wir uns wieder ihr ahnt es schon, ins Gletscher Zick Zack. Die Freude auf die Terrasse, das kühle Bier und ein Erfrischung im Brunnen sorgten dafür, dass alle motiviert auch noch den letzten Anstieg zur Hütte antraten. Endlich angekommen genossen wir die Aussicht und Gastfreundschaft mit einem kühlen isotonischen Sportgetränk und einem feinen Apero Plätteli. Einige Rückkehrer vom Finsteraarhorn berichtet, von wie war es anders zu erwarten, einiges an «Gletscherzickzack» aber sonst guten Bedingungen zum Gipfel. Das freute uns sehr nach der gezwungenen Umkehr an der Jungfrau und dem endlos scheinenden Gletschertrekking zur Hütte.

An Tag 4 hiess es wieder früh aus den Federn und es ging gleich zur Sache, der Aufstieg durch den Fels hinter der Hütte kann sich sehen lassen. Zum Glück kannte Eelco den Weg im Schlaf, beim ersten Tageslicht ging es auf den Gletscher und irgendwie fanden wir auch einen Weg hindurch. Es waren einige Seilschaften unterwegs und jeder hatte so seine eigene Variante. In jedem Fall eine super Übung für die Steigeisentechnik, denn es war doch recht steil und hart. Eelco übernahm das Spuren im Schneefeld und wir kamen gut in der Zeit am Grad an. Wir bauten um von unserer 4er Seilschaft auf zwei 2er Seilschaften. Martin und ich hatten gut zu tun damit, Eelco und Pavel auf den Fersen zu bleiben. Die Kletterei war ein Genuss, und wir waren früher am Gipfel als gedacht. Wir erkletterten sogar noch das Gipfelkreuz. Wir genossen die phantastische Aussicht und gönnten uns eine grosszügige Gipfelpause.

Im Abstieg wurde noch fleissig fotografiert, unser Paparazzi Martin war schwer beschäftigt alle Aussichten einzufangen. Ich erhielt noch ein paar gute Tipps für meine Seilführerschaft von Eelco und wir gelangten rasch am Schneefeld an. Nun ging wieder unser allseits beliebtes Gletscherzickzack los, dort wo wir dachten, dass wir wie am Morgen hergekommen wieder zurück konnten sah es wenig vielversprechend aus, so wählten wir eine neue Route und folgten ein paar vielversprechenden Steigeisenspuren ins Labyrinth des aperen Gletschers. Eelco als talentierter Fährtenleser ging voran und mit vereinten Kräften erreichten wir schon bald wieder sicheren Fels. Gut gelaunt machten wir uns an den Abstieg zur Hütte. Dort angekommen, gab es ein Bier, die doppelte Portion wie am Vortag vom Apero Plätteli und eine Katzenwäsche im Brunnen. Wir haben also nur noch mit dem Wind gestunken und nicht mehr gegen den Wind. Nach einem leckeren z’Nacht und einem kleinen-letzter Hüttenabend-Schnaps gings schlafen.

Tag 5 und letzter Tag hiess Abstieg – aber nicht irgendwie so normal sondern über den Fieschertalgletscher. Ausser Eelco hatte keiner eine Ahnung auf was er oder sie sich da eingelassen hat. Es sollte der perfekte Gletscherzickzack Tag werden zur besonderen Freude von Pavel: mit ausgiebigem Routen suchen, viel Springen und sehr, sehr viel Sonne. Nach den ersten ca. 20 min oder so mussten wir erstmal zurückkehren und einen neuen Versuch starten durch die Spalten zu kommen. Nach einem schier endlose scheinenden Gehüpfe auf dem Gletscher, erreichten wir mit viel Mühe den Fels und damit den Einstieg zum Klettersteig. Ziemlich abenteuerlich ging es durch die Felspassage und dann zurück auf den Gletscher, der sich nun aber nicht einfacher sondern eher schwieriger zu belaufen gestaltete. Immer wieder gerieten wir in Sackgassen, ab und zu sahen wir Tierspuren die in wenig vertrauenserweckend Richtungen gingen, und ab und zu war da auch mal ein Stiefelabdruck zu entdecken. Aber wir gaben natürlich nicht auf- also na ja Pavel und ich schon innerlich ein bisschen und Martin vielleicht auch, Eelco’s unzerstörbare Freude an diesem Labyrinth konnten wir bei der Hitze und den müden Beinen nur bedingt teilen. Das Ende des Martyriums natürlich versüsst durch phantastische Einblicke in Spalten und unterstützt von wüstenähnlicher Landschaft, kam dann doch schneller als gedacht und wir erreichten den Bergwanderweg und kurz darauf den kleinen Bach. Er war, ob der allgemeinen Trockenheit etwas kleiner wie im Vorjahr, aber er erfüllte seinen Zweck auf das Beste und wir kühlten unsere Füsse und übergossen uns mit Wasser. Die gefühlte Körpertemperatur sank wieder auf ein erträgliches Niveau. Nun wurde der steile Aufstieg auf dem Bergwanderweg zur Hütte in Angriff genommen. Martins Käppi wollte lieber am Berg bleiben und flog davon mit einer willkommenen Brise, er konnte es aber noch aus dem Nahe gelegenen Gebüsch retten. An der Bergführerhütte angekommen genossen wir das obligatorische isotonische Sportgetränk und nahmen den letzten Wegabschnitt in Richtung Zivilisation in Angriff. Pavel joggte voran, da er sicher gehen wollte den nächsten Bus zu erwischen. Martin und ich beschlossen unter keinen Umständen schneller als nötig zu laufen und wanderten gemütlich vor uns hin, Eelco schloss sich uns an. Nach dem obligatorischen Debriefing mit Eelco und gegenseitig aller verbleibenden Teilnehmer, erreichten wir entspannt – man glaube es kaum – den Bus so frühzeitig, dass sogar eine Abkühlung im Brunnen möglich war – und so war unsere Truppe wieder vereint. Diesmal auch für mich mit korrekt gekauftem SBB Ticket, vor der Abfahrt, ging es zurück. Nach und nach verliess ein jeder den Zug, Eelco in Brig, Pavel in Bern in Richtung Basel, ich in Richtung Pfäffikon SZ in Zürich und Martin kam zuletzt in Kloten ZH an.

Ich denke ich spreche für Alle, wenn ich sage, dass wir eine absolut gelungene Tour hatten. Keine Verletzungen, kein kaputtes Equipment und jede Menge Freude, wunderbare Ausblicke auf die Berglandschaft und eine richtig schöne Bergkameradschaft – nicht zu vergessen jede Menge Gletscherzickzack. Tausend Dank an Eelco für seinen Einsatz und seine Geduld mit uns. Die Jungfrau und die Fiescherhörner stehen bei allen ganz oben für nächstes Jahr auf der Liste, der Fieschertal Gletscher ist eher ans Ende unserer Wunschliste gerückt, befürchte ich – ausser bei Eelco, der liebt seinen Fieschertaler Gletscher bedingungslos.

Tourenleitung Eelco
Bericht Franziska
Fotos Alle
Teilnehmende Franziska, Martin, Pavel