Eine Pilgerreise durch ein landschaftliches Paradies

Unser aller Freund Noldi hat mich vor mehr als zehn Jahren auf diesen Flecken Land, eingebetet zwischen dem Val d’Anniviers und dem Val d’Hérens aufmerksam gemacht.  Endlich konnte ich seinen Hinweis in die Tat umsetzen und das erst noch in äusserst charmanter Begleitung.

Wenn man sich in den Bergen nicht verirren will, sollte man sich entsprechend gründlich vorbereiten. Für das Vallon de Réchy scheint dies jedoch gar ein Luxus zu sein.  Wohin man auch schaut, wohin man auch geht, überall ist es einladend schön. Man kann sich deshalb nicht wirklich verirren, man kann sich lediglich in der Pracht der grossartigen Landschaft verlieren.

Zum Aufwärmen wählen wir den Weg, entlang der Bise de Vercorin. Begleitet vom Murmeln des Wassers geht’s taleinwärts. Langsam steigen wir höher und lassen die Baumgrenze hinter uns. Hervor tritt die la Rèche  in ihrer ganzen Pracht, welche mit viel Getöse  zu uns herunterstürzt. Was wird wohl hinter dem Wasserfall, hinter dem Felsriegel sein? Die Neugier beflügelt das Höhersteigen. Und dann plötzlich liegt eine Landschaft da, die dir den Atem verschlägt: ein sich dahin schlängelnder Bach in einem weiten Talkessel. Das Wasser scheint gar nicht über den Felsriegel hinausfliessen zu wollen, es weicht nach links, nach rechts, manchmal gar nach rückwärts? aus. Es möchte auf keinen Fall diese Idylle verlassen. Auch wir nehmen Platz und verweilen an diesem eindrucksvollen Ort.

Frisch gestärkt nehmen wir die nächste Steilstufe unter die Füsse und betreten eine Landschaft, welche schon mit der Mongolischen Steppe verglichen wurde. Schliesslich erreichen wir den See Le Louché. Im Hintergrund thront die La Maya, welche uns an das Monument Valley erinnert.

Eine mystische Szenerie macht sich breit: Die Nebelschwaden hängen an den steilen Talflanken, versuchen gar die Sonne zu verschleiern. Doch die sanfte Bise schafft es immer wieder, den Nebel zu zerzausen. Es ist unendlich still, das Vieh ist abgetrieben, die Touristen haben sich verzogen. Die Blumen sind verwelkt, die trockene Grasnarbe knirscht unter den Schuhen.

Die Natur ist bescheiden, ja demütig geworden. Das Gefühl der Vergänglichkeit wird erfahrbar. Es sucht und findet seinen Platz in meinem Bewusstsein, in meiner Seele. Dennoch bin ich nicht betrübt, im Gegenteil: ich fühle mich beruhigt und wirklich geborgen. Vielleicht müssen wir erst sterben um wirklich zu leben?

Nun wird es Zeit sich wieder irdischen Problemen zu stellen. Da wir in der Cabane Becs de Bosson keinen Platz mehr gefunden haben, mussten wir uns nach Alternativen umsehen. Unser Tagesziel ist deshalb La Vieille, eine schön gelegene Alpe im benachbarten Val d’Hérens, welches wir via den Pas Lovégno erreichen.

Eine heimelige, mit viel Liebe renovierte Hütte sollte unser Nachtlager sein. Das von Hilda zubereitete Mal und der dazu passende Wein mundeten nach der achtstündigen Wanderung einfach herrlich. Unser Tag sollte jedoch noch nicht zu Ende sein. Unsere welschen „Nachbarn“ Francine und Rafi luden uns spontan zu einem Kaffee in ihre Hütte ein. Rafi erzählte uns von seinen Oberwalliser Freunden und erklärte uns, wie sein Chalet zum Namen „Zebri“ kam. Welch ein Geschenk, solch eine Begegnung.

Am Sonntag setzen wir unsere Pilgerreise fort. Auf dem Maurice Zermatten Weg, geht’s via Pas de Lona zur Cabane de Becs de Bossen. Auch hier zeigt sich die Welt wie am Tag zuvor. Als Bewohner eines relativ engen V-Tales sind wir beeindruckt von der Grosszügigkeit der Landschaft: die weiten Talkessel, die vielen Seen, die grassbe-wachsenen Hänge usw. Schliesslich findet unsere Reise im blumengeschmückten Grimentz ihren würdigen Abschluss.

Ein wunderbares Wochende mit grossartigen Menschen geht viel zu schnell zu Ende. Danke allen, die dabei waren, danke für die Kameradschaft, danke allen, die in irgendeiner Form dazu beigetragen haben.

André Zurbriggen, Saas-Grund

Tourenleiter André Zurbriggen
Bericht André Zurbriggen
Fotos Hilda Kalbermatten
Köchin Hilda Kalbermatten
Teilnehmer Rita, Bernadette, Hilda, Marceline, Rosemarie, Franco, André, Adelheid