Achterknoten, Sackstich, Mastwurf, Halbmastwurf, Spierenstich, Ankerstich und Prusik

Der ausklingende Winter (es hat ja noch immer eine grosse Menge der weissen Pracht in den Bergen) hat mal wieder gezeigt, dass Gletscher ein tückisches Spielfeld für die bergbegeisterte Spezies ist. Gleich mehrere Berichte über teilweise tödliche Spaltenstürze konnte man der Presse entnehmen. Es ist also wohl nicht die dümmste Idee, das in die Jahre gekommene und teilweise nicht vorhandene Wissen über den Einsatz von Seil, Pickel, Karabinern und weiteren technischen Hilfsmitteln aufzufrischen. Also habe ich mich gleich für den Einsteiger- wie auch für den Fortgeschrittenenkurs angemeldet.

 

An beiden Tagen fanden sich jeweils 16 bzw. 14 lernbegierige Teilnehmer in Saas-Grund bei der Talstation der Luftseilbahn ein.

Samstag 5. Juni 2021 Grundkurs

Der Billettautomat hatte noch nicht ganz begriffen, dass heute die Sommersaison los geht. Aber glücklicherweise konnten wir die Billette auch an der Kasse erstehen. Und schon schwebten wir in der Gondel zum Kreuzboden hoch wo wir bei Sonnenschein den Spielplatz in Beschlag nahmen. Das Wetter war besser, als angekündigt. Jedoch türmten sich über der Mischabelkette schon dunkle Wolken.

Danny zeigte uns als erstes, was in einem Tourenrucksack alles drin sein sollte. Ich werde mal wieder darin bestätigt, dass ich immer zu viel Material durch die Berge schleppe und dass ich diesbezüglich noch Optimierungspotenzial habe. So wie ich die Gesichtsausdrücke der anderen Teilnehmer interpretiere, bin ich da wohl nicht allein.

Als nächstes standen die sieben grundlegenden Knoten, die ein jeder Bergsteiger beherrschen sollte, auf dem Programm: Achterknoten, Sackstich, Mastwurf, Halbmastwurf, Spierenstich, Ankerstich und Prusik. Wir verteilten uns paarweise auf dem ganzen Spielplatz und durften diese Knoten natürlich intensiv üben. Es war interessant zu beobachten wie viele Möglichkeiten es gibt ein und denselben Knopf zu machen. In der Zwischenzeit ist auch leichter Nieselregen aufgezogen.

Mit den aufgefrischten Knotenkenntnissen ging es nun darum, diese wie diese Knoten und das technische Material konkret beim Bergsteigen in Firn und Eis eingesetzt werden. Das fängt beim Anseilen an. Ich muss gestehen, das ich jahrelang auf Gletschern unterwegs war ohne mir bewusst zu sein, wie stümperhaft ich jeweils das Seil gekürzt habe. Wenn ich dies schon nicht mit Verstand gemacht habe, bin ich froh, dass ich wenigstens immer das notwendige Quantum Glück dabei hatte, dass ich nie in eine wirklich heikle Situation geraten bin. Auf jeden Fall wird die Prusikschlinge am Anseilknoten und die ausreichende Anzahl an (Schraub-)Karabinern an unseren Klettergurten künftig wohl nicht mehr fehlen. Und falls wir Danny in den Bergen begegnen werden und trotzdem was fehlt, wird er uns sicher auf den nächsten Firn-und Eistechnik-Kurs aufmerksam machen.

Zum Abschluss des Vormittags lernten wir wie wir uns verhalten müssen wenn eine Seilkameradin oder ein Seilkamerad einen unfreiwilligen Abstecher in eine Gletscherspalte macht. Vom Abbremsen und Halten über das Sichern mit einem T-Anker und den anschliessenden Aufbau eines Flaschenzugs haben wir Schritt für Schritt jeden Handgriff gelernt und diese auch in praktischen Übungen angewendet.

Gegen Mittag fuhren wir weiter auf Hohsaas hoch wo wir uns im Bergrestaurant wieder aufwärmten. Einige nahmen die Gelegenheit wahr, den mitgebrachten Lunch vor dem Verzehr zu bewahren und bestellten sich was feines aus der Küche.

Bei leichtem Schneetreiben gingen wir dann rüber auf den Triftgletscher, wo wir das gelernte in die Praxis umsetzen sollten. Danny erklärte uns noch auf welcher Seite das Seil zu führen und in welcher Hand der Pickel zu halten ist wenn wir uns auf Gletschern bewegen. Plötzlich riss der Nebel auf und das Weissmies zeigte sich in gleissendem Sonnenschein. Aber so schnell es sonnig wurde so schnell zog auch wieder der Nebel auf.

Nun ging’s an die Praxis. An einem leichten Abhang simulierten wir Spaltenstürze. Es ist gar nicht so einfach einen T-Anker zu buddeln, wenn am Boden kniet und Zug auf dem Seil ist. Auch ist es wichtig, dass der T-Anker richtig gebaut wird damit er hält. Fliegende Pickel können nämlich ganz fest weh machen wenn sie durch die Gegend fliegen. Was am Vormittag in der Theorie so einfach ausgesehen hat, ist nun in der Praxis gar nicht so einfach. Es sind doch einige Handgriffe die man machen muss, um die Kameradin oder den Kameraden aus der misslichen Lage zu befreien. Und schnell passiert es, dass man einen Handgriff vergisst. Zum Glück ist die Situation nur simuliert und wir sind ja da, um genau das zu trainieren. Am Ende des Nachmittags haben wir alle mal einen einfachen Flaschenzug aufgebaut und gemerkt dass es ein riesen Kraftakt ist, jemanden damit zu bergen (sofern man das überhaupt schafft).

Zum Abschluss lernten wir noch, wie man Eisschrauben einsetzt und einen Stand baut. Damit ging ein intensiver Kurstag zu Ende und wir schwebten mit der Gondel wieder dem Talgrund entgegen.

Sonntag 6. Juni 2021 Fortgeschrittenenkurs

Heute stand der Fortgeschrittenenkurs auf dem Programm. Um viertel vor acht fanden sich die meisten Teilnehmer vom Vortag wieder bei der Talstation ein. Einige fehlten, dafür waren aber andere neue Gesichter dabei.

Auch heute benahm sich der Billett-Automat zickig und auch heute nahmen wir den Spielplatz auf Kreuzboden in beschlag. Im Gegensatz zum Samstag wurden wir buchstäblich mit Postkartenwetter begrüsst.

Zusätzlich zu den sieben Grundknoten vom Samstag wurde unsere Repertoire noch um den Prohaska und den Kreuzknoten erweitert. Wir lernten auch wie man einen doppelten Flaschenzug baut. Der Unterschied zum einfachen Flaschenzug ist gar nicht so gross und man benötigt nur eine lange Reepschnur und einen zusätzlichen Karabiner. Das ganze haben wir natürlich wieder intensiv geübt. Verschiedentlich wurde auch über die verschiedenen technischen Hilfsmittel, mit denen man den einen oder anderen Knoten ersetzen kann, gefachsimpelt.

Anschliessend haben wir noch gelernt wie man sich selber aus einer Gletscherspalte befreien kann. Sich an einem Seil hinaufzuarbeiten ist das eine. Wenn man aber nur an einem Balken hängt, auf den man nicht rauf will, ist es gar nicht so einfach, den halben Meter wieder runter auf den Boden zu kommen. Danke Maurice für die «Rettung».

Nach dem Theorieblock begaben wir uns wieder hoch auf den Triftgletscher. Diesmal aber ohne Zwischenhalt im Restaurant auf Hohsaas. Nach dem Anseilen gingen wir in Zweierseilschaften etwas über den Gletscher um die Theorie nun an einer echten Gletscherspalte auszuprobieren. Der Schnee war schon recht weich und so mancher Schuh versank unverhofft im tiefen Schnee.

Als wir die Spalte erreicht haben, machten wir uns an die Arbeit und bauten zuerst solide T-Anker in den Schnee. Es dauerte nicht lange und schon machten die ersten von uns Bekanntschaft mit der Gletscherspalte. Wir liessen uns kontrolliert in die Spalte gleiten. Wobei schon der kontrollierte Abstieg in die Spalte erfordert einiges an Kraft um dem Zug entgegenzuhalten. Bei einem echten Spaltensturz, der ja unverhofft passiert, kommt da aber schon ziemlich Zug aufs Seil wenn ein Bergsteiger mit Sack und Pack ins Seil stürzt und man wird unweigerlich von den Beinen geholt. So wurde sogar Philipp einen guten Satz näher zur Spalte gezogen, als sich seine halb so schwere Frau Marion in den Schlund gleiten liess.

Da unsere Seilpartner und Seilpartnerinnen nun mit dem ganzen Gewicht im Seil hängten, war die Bergung auch mit dem doppelten Flaschenzug sehr kraftraubend.

Natürlich haben wir auch die Selbstrettung aus der Spalte geübt. Es ist schon etwas schwieriger am Seil aufzusteigen, wenn die Prusikschlinge nicht mehr trocken ist. Und über den Spaltenrand zu kraxeln, wenn das Seil tief eingeschnitten ist, hat auch seine Tücken. Ich war glaub ich nicht der einzige, dar sich dabei ordentlich die Finger eingeklemmt hat.

Anschliessend ging es wieder über den jetzt noch weicheren Schnee zurück an den Gletscherrand. Die Schwereren von uns, durften schon mal einen Vorgeschmack auf einen echten Spaltensturz bekommen. Der Schnee gab so plötzlich unter unseren Bergschuhen nach, dass wir hüfttief darin versanken. Irgendwie wurde ich an das Bild von Asterix und Obelix bei den Helvetiern erinnert wo Obelix für seine Kameraden einen tiefen Kanal in den Schnee spurt. Am Ende entpuppte sich Kriechen als effizienteste Fortbewegungsart. Danny zeigte uns zum Abschluss des Tages noch wie man den Österreicher-Flaschenzug baut. Dieser ist sicherlich zu bevorzugen wenn die oder der Gestürzte noch in der Lage ist, bei der Bergung mitzuhelfen. Mit einem kühlen Bier im Bergrestaurant Hohsaas beschlossen wir den Kurs.

Es waren zwei sehr intensive und lehrreiche Kurstage. Besten Dank Danny, dass Du uns so perfekt auf künftige Abenteuer in der geliebten Bergwelt vorbereitet hast und Dank auch an Alex, der mir beigebracht hat, wie man den Mastwurf bzw. den Halbmastwurf einhändig macht. Natürlich hoffe ich, dass niemand von uns je in die Lage kommt, jemand anders oder sich selber bergen zu müssen und wünsche allen einen unfallfreien Bergsommer.

Tourenleitung Danny mit Unterstützung von Alex
Bericht Marc-André
Fotos Danny
Teilnehmende Tanja, Desirée, Martin, Nathan, Lars, Carsten, Aname
Teilnehmende Roger, Franziska, Lara, Daniel, Marion, Philipp
Teilnehmende Carole, Maurice, Danic, Stephanie, Joana, Marc-André
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