Kameradschaft und nix zu lachen für Gummibärchen
Die zweite Transalp-Tour steht auf dem Programm. Die tolle Woche vom Vorjahr ist noch in bester Erinnerung. Und so haben sich denn angemeldet: aus der Truppe vom Vorjahr: Die Bergführer Gabi Voide und der in der Zwischenzeit brevetierte Janik Jäger (herzliche Gratulation!), die nimmermüde Diana Zurbriggen, die eiserne Dalia Anthamatten, die biegsame Simone Knepper und der schweigsame Oscar Supersaxo. Neu dazugekommen sind das Fliegengewicht Erna Sarbach, die durchtrainierte Susanne Aegler, die leichtfüssige Francine Zenhäusern, die fitte Vedrana IlijevSKI und der kräftige Theo Kuonen. Eine lustige Truppe mit 7 schönen und charmanten Ladys und 4 netten Herren.
1. Tag – Ab in den Süden, der Sonne hinterher
Nach langer Vorfreude und emsigem Packen geht es endlich los. Gabi und Oscar fahren früh morgens mit dem Postauto in Saas-Fee ab. In Saas-Grund steigen Dalia und Diana hinzu. Wir stellen fest: leider kein Ausflug auf die Wasenalp in diesem Jahr 🙄 😆 . In Saas-Balen fahren wir am verdutzten Theo vorbei. Er muss im anderen Postkurs einsteigen. In Visp treffen wir auf Janik, Erna, Francine und Verdana. Mit dem Zug geht es nach Brig. Es kommen Simone und Susanne hinzu. Auf dem Bahngleis bewundern die Frauen Janiks tolle Reiseschuhe. Oder sind es eher Socken? Wir steigen in den Zug nach Mailand und suchen unsere reservierten Plätze. In einem Zug nach Mailand kann man wohl nicht erwarten, dass reservierte Plätze freigehalten werden. Aber es finden alle einen Sitzplatz und können entspannt zurücklehnen.
In Mailand steigen wir in den Zug nach Turin. Gabi hat das bestens organisiert, der Zug steht auf dem Geleise gegenüber. Die Fahrt geht los und das versprochene Apéro wird von Gabi und Janik ausgepackt. Die servierten Speisen Brot und Trockenfleisch munden super und mit dem Barolo kommt gute freudige Stimmung auf. In Turin heisst es abermals umsteigen. Auf dem Bahnperon werden wir teilweise verwundert betrachtet. Auf der Weiterfahrt nimmt noch eine ähnliche Gruppe Platz. Es sind junge italienische Pfadfinder/-innen. Auch sie in eigenartiger Kleidung und sie machen noch mehr Lärm als wir. Die Temperaturen steigen auf sommerliche Werte.
Wir erreichen Borgo San Dalmazzo. Diesen Ort kennen wir vom Vorjahr. Wir denken an das gute Mittagessen im Vorjahr. Heuer steht aber leider weiterfahren auf dem Programm. Ein Kleinbus bringt uns nach Sambucco. Wir beziehen unsere Unterkunft in der Locanda della Pace und entspannen uns dann bei Mineralwasser, Bier und Genepi unten an der Bar. Ein nahrhaftes und gutes Nachtessen mit Baccala, Ravioli di patate/Passato di vendura, Agnello sambucano/Spalla di maiale, Spinaci/Patate und Biccierino con chiccolato al rum e chanilly werden serviert. Auch heute geniessen wir ein Gläschen Barolo. Das arme kleine Schweinchen wird zuerst den Gästen auf dem Holzbrett gezeigt. Und es mundet allen super. Der Start ist gelungen. Mir kommt eine Geschichte in den Sinn:
Auf der Rudergaleere frägt der angebundene Sklave den Aufseher, warum es denn heute eine doppelte Portion Mittagessen gäbe. Er bekommt die Antwort, dass der Kapitän nach dem Essen Wasserskifahren wolle .
Wird es uns in den nächsten Tagen auch so gehen?
2. Tag – Von null auf hundert
Früh morgens nach dem Frühstück fahren wir mit einem Kleinbus zum Colle della Maddalena (italienische Seite) hoch und dann rüber zum Col de Larche 1996m (französische Seite) und erreichen nach einer kleinen Abfahrt im Bus Torrent de l’Oronaye, unseren Startpunkt. Jetzt heisst es endgültig, sich bewegen. Es geht hoch zum Col du Boeuf. Dann folgt eine kurze Abfahrt zum Cima delle Manse und wir geniessen eine Pause. Strahlende Frauenaugen schauen Osci an, warum wohl? Er hat einen Sack Haribo Tropifrutti ausgepackt. Es geht hoch zum Monte Soubeyran 2702m. Jetzt folgt der schöne Teil, die Abfahrt. Man plagt sich doch nicht umsonst auf Fellen die Berge hoch ;-). Gabi und Theo erkunden für uns die Abfahrtsmöglichkeiten. Wir können wie geplant abfahren. Nach eine kurzen und steilen Rutschpartie beginnt das Vergnügen im Tiefschnee.
Die Abfahrt ist abwechslungsreich und wir können die tollen Tiefschneeverhältnisse geniessen. Von der anderen Seite aus betrachtet sieht der Monte Soubeyran ganz schön wuchtig aus. Schon weit unten bietet uns Gabi eine Zusatzschleife an. Ein Teil der Gruppe nimmt die Zusatzschleife unter die Felle, angeführt von Janik, der jetzt als Bergführer viel aufgestellter führt ;-). Die vernünftigen Geniesser fahren direkt runter ins Valle Maira nach Chiappera 1620m. Wir kehren in ein gemütliches Restaurant ein und geniessen Apfelkuchen mit Kaffee. Dann machen wir uns auf den Weg ins Rifugio Campo Base. Nach einiger Zeit treffen auch die Unermüdlichen im Rifugio ein. Wieder können wir ein gutes Nachtessen mit vorzüglichem Piemonter Wein geniessen. Und wir studieren interessiert die Resultate der Walliser Gross- und Staatsratswahlen.
3. Tag – Skitouren finden nicht in der Halle statt
Bei überzogenem Himmel starten wir am Morgen in die nächste Etappe. Flache und steile Teilstücke wechseln sich ab. Es beginnt allmählich zu schneien. Die Sicht wird immer schlechter. Wir können uns nur noch an den grossen Felsen orientieren. Bei einer Pause unter einem Felsen stellen wir fest, dass es wirklich nass und windig geworden ist. Der höchste Punkt des Tages scheint nicht mehr weit weg zu sein, was uns zusätzliche Kräfte verleiht. Wir erreichen den Colle di Bellino. Wunderbarer Blick auf beide Seiten runter, mindestens bis zu den Skispitzen.
Wir machen uns für die Abfahrt ins Valle Varaita bereit und jeder frägt sich wohl im Stillen, wie Gabi den Weg runter finden will. Aber er findet ihn und legt uns eine Spur vor, die wir fast mehr spüren als sehen können. Dann wird die Sicht heller und eine grosse Schlucht liegt vor uns. Hier muss mal ein gewaltiger Bergbach oder Gletscher gewirkt haben. Und da will Gabi reinfahren? Ja, dann nichts wie hinterher. Wir haben ja die Felle dabei, um im schlimmsten Fall wieder aufsteigen zu können 😯 .
Die Fahrt durch die Schlucht macht Spass. Zwischendurch lässt uns Gabi im wahrsten Sinne des Wortes am Seil runter. Wir kommen gut unten an und nach einer flachen Passage erreichen wir das Rifugio Melezé 1806m. Wieder werden wir bestens bewirtet und geniessen den Abend. Dann erzählt Osci, dass er geträumt hätte, es gebe nach den Elektro-Bikes nun auch Elektro-Tourenskis mit Raupen. Theo sorgt mit seinen Witzen für gute Stimmung.
4. Tag – vom Winde verweht
Nach einem guten Frühstück machen wir uns auf den Weg zur nächsten Etappe. Beim Starten lässt sich noch nicht erahnen, was uns heute erwartet. Nach einem kurzen Flachstück beginnt ein sehr schöner Aufstieg, wie auf einer Passstrasse. Dann eine längere Traversierung am Hang, bis wir vor einer Hütte Pause machen und uns verpflegen. Der Wind hat uns in der Zwischenzeit gefunden. Es geht weiter. Wir laufen durch einen langen Talkessel, praktisch ohne Steigung nach hinten. Und wir werden begleitet. Ein starker Wind kommt mal von vorne links, dann von vorne rechts, dann von hinten, kurz gesagt abwechselnd von allen Seiten. So muss es wohl in einem Windkanal zugehen. Jeder hat sich so gut es geht gegen den Wind eingepackt. Aber den Wind und den von ihm mitgetragenen Schnee spürt man einfach. Jeder denkt wohl, was er nächstes Mal zusätzliche einpacken will. Die Ladys sagen später, es habe sich wie ein Gesichtspeeling angefühlt. Eine Frau erkennt die Gefahr, vom Wind weggeblasen zu werden und läuft mit geschlossenem Mund weiter.
Am Ende des Talkessels beginnt ein erneuter Aufstieg. Die Holländer sagen beim Radfahren: Wind ist Berg. Wir haben Wind und Berg oder schon eher Wind mal Berg. Doch nicht genug damit. Eine tapfer kämpfende eiserne Lady verliert noch ein Fell unter dem Ski. Gabi und Theo helfen ihr, mit viel Improvisation, den Ski wieder lauftüchtig zu bekommen. Unter gleichen windigen Voraussetzungen geht es weiter. Es denkt niemand ans zurückgehen. Unser Ziel ist „trans“.
Wir erreichen den Colle del Bondormi 2657m. Geduckt nehmen wir die Felle von den Skiern und rüsten zur Abfahrt um. Osci will die nächste Tour nur noch mit Männern machen. Frauen geben ja nie auf, Männer sind da schon ehrlicher 😳 . Dalia bezeichnet den Tag als Survival-Übung. Wir fahren durch das Vallone di Fiutrusa nach Pontechinanale 1638m ab. Wieder werden wir am Seil herabgelassen 😀 .
Schlussendlich erreichen wir Chianale 1784m, ein wunderschönes kleines Dörflein mit wunderschön restaurierten Häusern. Unterwegs hat eine sonst sehr fitte Lady Probleme mit der Kälte und der Kraft bekommen. Doch sie schafft es eisern bis ins Rifugio Lago Blue. Wir wissen noch nicht, woher diese Probleme kommen. Die Frauen strahlen aus ihrem farbenvollen Gesicht. Der Gesichtspeeling hat gewirkt.
5. Tag – 11 kleine Negerlein – da waren’s nur noch 5
Früh am Morgen wird Gabi von einem Anruf geweckt. Es ist der Hüttenwart des Refuge du Viso. Mit 100 Ausreden teilt er Gabi mit, dass wir heute Abend nicht im Refuge du Viso nächtigen können. Wir wissen, wie gut Gabi umorganisieren kann und machen uns keine Gedanken. Also steigen wir von Chianale aus hoch auf den Costa Ciavert. Wir geniessen das prächtige und windstille Wetter. Oben angekommen treffen wir aber einen alten Bekannten wieder, den Wind. Gipfelküsschen und zurück zum Skidepot, das einige Meter tiefer liegt. Gabi überrascht uns mit einer unterhalb des Gipfels in den Schnee gehauenen Sitzbank. Dort machen wir es uns gemütlich, verpflegen uns und geniessen die strahlende Sonne und Gummibärchen. Dann fahren wir zurück nach Chianale.
Kurz vor dem Dorf wird es schon recht sulzig. Vor unserer Unterkunft entspannen wir uns bei Cola und Wein. Und dann offeriert uns Gabi Prosecco. Den geniessen wir natürlich. Dann will eine recht widerstandfähige Lady aus dem hinteren Saastal plötzlich etwas von Oscis kleiner Absinth-Flasche. Sie verspürt ein Kribbeln im Bauch und weiss, dass Osci das Fläschchen immer präventiv mitnimmt. Alle Magen- und Darmmedikamente werden aus der Anis-Pflanze gewonnen. Das Fläschchen kommt leer zurück. Auch Gabi spürt plötzlich Bewegung in seiner Bauchgegend. Guter Rat ist schnell gefunden. In der Bar steht eine Magnum-Pastis-Flasche. Die nehmen wir gleich an unseren Tisch, um uns zu kurieren. Dann geht es zu wie in einem billigen Theaterstück. Eine erste Dame kommt runter und berichtet, dass ihr ebenfalls ganz übel geworden ist und sie sich bereits übergeben habe.
Eine halbe Stunde später kommt der erste Mann mit den gleichen Beschwerden an den Tisch. Wieder eine halbe Stunde vergeht und es hat die nächste Dame richtig erwischt. Francine informiert uns, dass Janik auch gleich von der Grippe erwischt wird. Sie lacht wieder. Und dann kommt Janik. Er lacht zwar und deshalb haben wir Mühe, es ihm zu glauben. Aber es hat ihn auch erwischt. Oder ist es das Heimweh? Gabi informiert uns, dass sich diese Influenza Chianale schon seit einigen Tagen in der Gegend verbreite. Eine groteske Situation beim Nachtessen. Die einen haben grossen Appetit und die anderen verständlicherweise weniger. Gabi organisiert ein Taxi für die Angeschlagenen für den nächsten Morgen. Die von der Grippe nicht gequälten trinken präventiv noch ein paar Pastis und Genepis und dann geht’s in Bett.
6. Tag – Das Fähnlein der fünf aufrechten
Früh am Morgen kommt das Taxi, um die Grippigen abzuholen. Sie fahren mit Taxi/Zug nach Hause. Das Fähnlein der fünf aufrechten begibt sich auf die nächste Tour. Wir bedauern wirklich, dass wir nur noch so wenige sind. Mit der vollen Truppe hat es mehr Spass gemacht.
Ein wunderschöner Bartgeier dreht seine Runden über uns. Osci denkt, der Geier zieht zartes Fleisch Pastis- und Genepigetränkten Muskeln vor und hat es daher wohl eher auf die Damen abgesehen. Er ist beruhigt. Beim Aufstieg folgt Gabi zu unserer Verwunderung nicht den Spuren, die vorzufinden sind. Aber es hat sein Gutes. Am Rand eines plätschernden Baches, den wir dann auch noch überqueren müssen, folgen wir mit Spass Gabis Spur. Genuss pur! Nach einer endlos langen flachen Passage steigen wir durch eine kanalartige Rinne zur Pointe de Joanna 3054m auf und dann passieren wir den Col de Valante 2815m. Wir haben das Ziel, das Refuge du Viso 2469m im Blick. Nach einer schönen Abfahrt und einem kleinen Aufstieg treffen wir in der Hütte auf der französischen Seite des Monte Viso ein. Gabi sagt, dass er heute mit 4 Gummibärchen unterwegs gewesen sei. Meint er uns?
Wir staunen, Bergführer können sich ausschliesslich von Gummibärchen ernähren. Die Hütte ist erst seit heute bewirtet. Schon 3 Stunden nach der Ankunft ist die Toilette aufgetaut und kann benutzt werden. Wir verraten nicht, warum wir im Halbkreis bis zum Nachtessen um den Ofen herumsitzen und diskutieren. Das Nachtessen aber mundet. Wir haben oben auf der Galerie Platz für 5 Schlafstellen gefunden. Wärme steigt ja hoch und um Mitternacht geht das Feuer im Ofen aus.
7. Tag – Und dann fahren wir wieder nach … Hause
Früh auf und auf zum letzten Aufstieg. Nach rund 1.5 Stunden erreichen wir den Col Sellière 2834m. Der Bartgeier dreht wieder seine Runden. Gabi und Osci erreichen mit den drei unermüdlichen Damen Diana, Simone und Vedrana den letzten Höhepunkt. Osci packt noch seinen letzten Whisky aus. Das kleine Fläschchen wird geleert. Wir fahren auf der italienischen Seite ab. Bruchharst kann es auch mal geben. Über eine längere Fläche erreichen wir das Rifugio Willy Jervis. Zu Fuss steigen wir nach Villanova 1250m im Valle Pellice ab.
Ein Taxi bringt uns nach Pinerolo. Mit dem Zug geht es, mit mehrmaligem Umsteigen, heim ins Wallis. In Domodossola machen wir eine letzte Pause und geniessen kurz noch Dolce Vita in Italia mit Wein und Pizza.
Eine sehr schöne, aber auch anstrengende und unvergessliche Woche liegt hinter uns. Ich möchte mich bei allen für alles bedanken. Es hat wirklich Spass gemacht und es war eine Woche in echter Kameradschaft. Simone und Diana danke ich für ihre zusätzlichen Kilometer, um uns unterwegs zu fotographieren. Allen voran möchte ich mich aber bei den Bergführern Gabi und Janik bedanken. Ihr habt uns super geführt und wir haben oft gestaunt. Und wir haben uns jederzeit sicher gefühlt.